Geschichte des Neuchl-Anwesens

Ein schreckliches Unglück muss es gewesen sein, der große Brand von Schäftlarn, das halbe Oberdorf brannte damals lichterloh. Getroffen hatte es einfache und arme Menschen. Der ganze Stolz war das eher armselige Anwesen, das man sich selbst erspart und gebaut hatte. Und da kam so ein Riesenfeuer und in wenigen Stunden war alles verloren. 170 Jahre ist es beinahe her, als die Menschen fassungslos vor einem großen Aschenhaufen standen und nicht wussten, wie es weitergehen sollte. Vieh hatte man das eine oder andere retten können, aber das Sach' war alles verbrannt. Die Habseligkeiten, das Gwand, das bisserl Hausrat, alles weg. Und das alles nur, weil einer unvorsichtig seiner Freude Luft gemacht und anlässlich der Kirta im September 1828 statt in die Luft in ein Heustadl geschossen hatte. Der Stolz der Gemeinde Schäftlarn, das Hoanz'n-Anwesen, das älteste Bauernhaus (Arnold) direkt an der Friedhofsmauer, ist damals vom gefährlichen Funkenflug durch einen standhaften Hollerbusch und Helfern aus Baierbrunn vor dem Feuer verschont geblieben.

Das Anwesen Neuchl - 1492 zum erstenmal urkundlich erwähnt – früherer Hausname Stalldistl, später Stallwastl - wurde jedoch völlig zerstört. Der Bauer Xaver Melf - der Vater der ersten Frau des Georg Neuchl - wurde erst 18 Jahre nach dem Brand geboren. Das war im Jahre 1846. Er konnte nicht mehr wissen, wie sich seine Eltern geplagt hatten, um 1829 ein neues Haus auf den Trümmern des alten zu errichten. Die kleine Landwirtschaft hatte 10 Tagwerk Feld und 7 Tagwerk Wald in Besitz. Das war ein großes Glück, so war doch Baumaterial zur Stelle und die Mauersteine kamen aus der Isar. Geld war immer knapp, das Leben entbehrungsreich und voller Arbeit.

Vier Töchter hatte der Xaver Melf, eine davon, - die Barbara, geb. 1878 - heiratete den Georg Neuchl und damit bekam das Anwesen seinen neuen Namen. Er, der Georg, geb. 1879, kam aus Farchach bei Aufkirchen und wurde Holzknecht im Kloster Schäftlarn. Er tat 30 Jahre lang dort seinen Dienst und schuftete tagein tagaus im Wald. Die Baumstümpfe, die keiner haben wollte, grub er nach getaner Arbeit aus und heizte damit das kleine Häuschen. Im Stall stand ein Ochse, ein Jungrind und drei Kühe, daneben gab es ein paar Hühner. Mit seinem Lohn und den Felderträgen reichte es gerade zum Leben. Doch gab es noch einen kleinen Nebenverdienst: das war die Jagd nach den Wühlmäusen. Diese Plage war immer unterwegs und die Menschen waren froh, dass es einen gab, der mit Erfolg die Ernte in Garten und Feld verteidigte. So gab es immer wieder Aufträge und bezahlt wurde nach der Anzahl der abgelieferten Schwänzlein.

Im Mai 1944 verstarb die Neuchl-Bäuerin 66jährig. Im Herbst desselben Jahres trug es sich zu, dass der Georg Neuchl einen Ochsen in Degerndorf kaufen wollte. „Er tät eine Bäuerin suchen“, fragte er den Ochsenbauern nach getätigtem Kauf, „ob er keine für ihn wisse“. „Ja scho, da gäb es eine und er sage ihm Bescheid, wenn’s so weit wäre“. So trug es sich zu, dass die zweite Bäuerin des Neuchl - ein Dienstbot aus Degerndorf - nach Schäftlarn kam und so der Ochsenkauf doppelt erfolgreich war. Obwohl Therese Wohlfarter aus Habichtgraben bei Eurasburg 25 Jahre jünger war als Georg Neuchl, blieb auch diese Ehe kinderlos.

Geht man durch das kleine Neuchl-Haus, so wird man immer stiller, so wie die Zeit still zu stehen scheint. Die kargen Möbelstücke, die schmale, ärmliche Küche mit der offenen Herdstelle, die kleinen, bleiverglasten Fenster, das steile Treppchen zum Obergeschoss, das alles erzählt beredt vom schweren entsagungsvollen Leben. Die alltäglichen Pflichten und Aufgaben, die Sorgen um die tägliche Mahlzeit, die kleinen Erträge in Garten und Feld, der karge Lohn des Mannes - es gab nichts, was man hätte anschaffen können, um das Leben leichter zu machen. So ist dieses "Kleinstbauernhaus [ ...] die wohl letzte noch authentisch erhaltene klein bäuerliche Hofstelle" aus dem Jahre 1829 geblieben.

1957 erkrankte der Neuchl-Bauer schwer und die Bäuerin schaffte die Arbeit nicht mehr alleine. Das Vieh musste verkauft werden. Ein Jahr später war sie Witwe. Therese Neuchl lebte nun mit ihrer ledigen Schwägerin Maria Melf alleine im Haus. Der Krieg hatte es so mit sich gebracht. Maria, die von ihrem Schwager Georg ein Wohnrecht eingeräumt bekommen hatte - bewohnte nun zehn Jahre lang das kleine Obergeschoss des Häuschens und verstarb 1969. Therese Neuchl lebte noch 22 Jahre lang alleine in dem kleinen Anwesen und verstarb nach kurzer Krankheit, 87jährig, im Jahre 1991. Sie hatte ihren Mann um 33 Jahre überlebt. Das Anwesen hinterließ sie unverändert. Die Erbin verkaufte kostengünstig den unter Denkmalschutz stehenden Neuchl-Hof im Jahre 1992 an die Gemeinde Schäftlarn.

Traudl Klor

Mit freundlicher Unterstützung durch: Hermelinde Werner, Maria Bachmann, Stefanie Gampe.